Sag niemals „nein“ wenn ein Schwede dich fragt, ob du mit ihm „fika“ möchtest. Es ist fast wie eine Beleidung. Für die Schweden ist fika viel mehr als nur eine kurze Kaffeepause. Es hat eine wichtige soziale Funktion und ist ein fester Bestandteil im Alltagsleben. Möchtest du die Schweden richtig kennenlernen, musst du immer die Frage “Ska vi fika?“ (Wollen wir Kaffee trinken?) mit ja beantworten, auch wenn du keinen Kaffee magst. Du darfst gerne etwas anderes trinken.
Das gemeinsame Kaffeetrinken
Als der Kaffee nach Schweden kam, war das natürlich ein sehr teures Genussmittel. Die normale Bevölkerung konnte sich das Getränk nicht leisten, sondern trank weiterhin ihren selbstgebrannten Schnaps bei gemeinsamen Feiern. Das neue Getränk konnte nicht zu Hause zubereitet werden. Dort fehlten das Wissen und die Ausrüstung. Die wohlhabenden Männer probierten den Kaffee in Kaffeehäusern aus. In Stockholm gab es 1730 ca. 20 Kaffeehäuser. Hier konnten die Männer in Ruhe Zeitungen lesen und diskutieren. Man stellte fest, dass Kaffee, im Gegensatz zu den alkoholischen Getränken, eine aufmunternde Wirkung hatte. Viele Ideen zu politischen Aktivitäten und Zeitungsgründungen sind in Kaffeehäusern entstanden. So viele, dass man zeitweise versuchte die Cafés zu verbieten.
Das kleine Süße
Warum nicht süßes Gebäck zum Kaffee zu servieren? Das würde zum bitteren Kaffee gut passen. Ca. 1825 gab es viele Einwanderer aus der Schweiz, die gute Konditoren waren. Diese eröffneten Cafés, wo auch Frauen in Begleitung von Männern willkommen waren. Hier gab es eine große Auswahl an süßem Gebäck. Die Frauen waren damit glücklicher, aber trotzdem nicht ganz zufrieden. Wie soll man sich ungestört unterhalten, wenn die Männer dabei sind? Ca. 50 Jahre später hatten viele Haushalte einen eigenen Herd bekommen und der Kaffee wurde billiger. Jetzt konnten die Frauen selber backen und ihre Bekannte in aller Ruhe zu Hause treffen. Männer waren hier nicht willkommen.
Kaffeeklatsch und Lattemuttis
Die Männer machten sich gerne über diese Frauentreffen lustig. Die nannten es abwertend „Kaffeeklatsch“ und sprachen über „Tratschtanten“. Heute merkst du immer noch diese negative Einstellung, wenn die Schweden von den „Lattemuttis“ sprechen. Das sind Eltern die Erziehungsurlaub haben und sich mit anderen Eltern bei einer Tasse Kaffee treffen.
Das Gebäck (sju sorters kakor)
Die Gäste erwarteten eine Tafel mit selbstgebackenem Gebäck. Es sollte sieben Sorten sein, weder mehr noch weniger. Eine davon natürlich ein Hefegebäck. Jetzt fragst du dich bestimmt warum es genau sieben Sorten sein sollten. Das weiß man nicht genau. Sechs Sorten wurde als ein gierig betrachtet und acht wäre angeberisch.Die Damen versuchten sich zu übertreffen, wer die kompliziertesten und leckersten Gebäcksorten backen konnte. Diese Tradition wurde so verfeinert, dass ein Verlag ein Preisausschreiben veranstaltete. Die besten Rezepte wurden gesammelt und im Jahr 1945 in ein Backbuch mit dem Titel „Sju sorters kakor“ (sieben Sorten Kleingebäck) veröffentlicht. Das Buch wird regelmäßig überarbeitet und ein Exemplar befindet sich in fast jedem Haushalt.
Woher kamen die vielen Cafés?
In den Städten öffneten nach dem ersten Weltkrieg viele kleinen Cafés, für unterschiedliche Zielgruppen. Verschiedene Berufsgruppen hatten ihre Stammcafés, aber auch Frauen, die jetzt ohne männliche Begleitung in ein Café gehen dürften. Die Einrichtungen und Preise entsprachen den Wünschen der Kunden. Die feinen Damen gingen in Cafés, wo sie kunstvolles Gebäck bekommen konnten, während in Taxicafés einfache, kleine Gerichte serviert wurden.
Die Cafés waren gut besucht, bis eine Trendwende kam. Anfang der 1960er konnten sich viele Schweden einen Fernseher leisten. Es war gemütlicher abends vor dem Fernseher, mit der gefüllten Kaffeekanne vor sich zu sitzen als in ein Café zu gehen. Bekannte oder Nachbarn kamen zum gemeinsamen Fernseh gucken vorbei. Viele Cafés mussten schließen. Erst Ende der 90er kam wieder ein Aufschwung. Alle wollten plötzlich Cappucino, Cafe Latte und andere moderne Kaffeemischungen trinken. Die für die Herstellung notwendigen Kaffeemaschinen hatte man nicht zu Hause.
In Schweden findest du heute alles von supermodernen Espressobars bis heimeligen Cafés, wie zu Omas Zeiten. Manchmal liegen sie versteckt auf dem Land, aber an den Wochenenden sind sie voller Gäste. Die Schweden fahren gerne weit für eine gute Tasse Kaffee mit leckerem Gebäck.
Die Kaffeepause
Die Kaffeepause ist so wichtig, dass die meisten Firmen eine offizielle Vor- und Nachmittagspause haben. Hier trifft man sich und unterhält sich, ohne hierarchische Regeln. Neue Ideen für die Arbeitsgestaltung können ganz entspannt besprochen werden und der Chef unterhält sich mit dem Angestellten über seinen Urlaub. Man lernt sich einfach besser kennen. Das hat einen positiven Einfluss auf die Arbeitsklima und schafft Vertrauen und es gibt neuen Schwung für die weitere Arbeit.
Übrigens, woher das Wort „fika“ kommt weiß niemand genau. Reisende Händler hatten ihre eigenen Redewendungen. Sie benutzten das Wort „kaffi“ für Kaffee und daraus entstand das Wort „fik“. Dieses Wort wird immer noch verwendet und bedeutet so viel wie Café. Wahrscheinlich wurde hieraus fika, Kaffee trinken in einem Café. Heute macht man das überall, nicht nur in Cafés.
Und jetzt gönne ich mir eine Pause. Ska vi fika?